
Aus dem Vorraum hinein in den prunkvollen Innenraum des Gießener Stadttheaters fiel wohl jeder Blick straight auf die Bühne. Diese wunderbare Theaterbühne, die sonst wahrhafte Klassiker der Theaterwelt beheimatet. Am Samstagabend stand dort vor dem mächtigen roten Samtvorhang lediglich ein Mikrofonständer. Ein schlichter Mikrofonständer – mehr brauchte dieser Poetry Slam Abend auch nicht.
Lars Ruppel lud sie ein, die Slammer aus ganz Deutschland und sie kamen. Sie kamen alle zu uns nach Gießen, was nebenbei gesagt Lars Heimat ist. Die 5 Poetry Slammer kamen für einen Abend, der vollkommen ohne Filter aus kam. Es ging nicht darum, wer seinen Text in den tightesten Trap-Lines hineinquetschen kann oder wer die Bühne in Grund und Boden performt. Es ging um den reinen, den puren Poetry Slam. Nieder mit dem immer wieder herrschenden Druck zur Perfektion. An der aktuellen Jahreszahl scheitern oder mal vor vollem Haus zugeben, worin man so richtig scheiße ist. Das war es, was einen nachhaltig bewegte.
Und die Poetry Slamer…
Mit diesem Wissen im Hinterkopf, ist es schier unmöglich eine aus tiefstem Herzen heraus und allgemeingültige Bewertung abzugeben. Zu verschieden waren dafür die Gäste. Bevor die Poetry Slammer die Bühne für sich einnahmen, gehörte jene für zwei Songs der Musiker Aylin Celik. Eine Mischung aus tiefen Gefühlen, Electro Beats und Ehrlichkeit. Ihren Namen mal in die Google-Suchleiste zu tippen, kann sicherlich nicht schaden. Bo Wimmer rückte als Erster im Bunde in seiner Tragödie (Die doch sehr viele Lacher auslöste) das Leben eines Huhnes in den Mittelpunkt. Etta Streicher war die Frau der ruhigen Töne. Fast schon meditativ versetzte sie dem Publikum eine gedankliche Spritze für den Umweltschutz. Die ruhigen Töne waren mit der Bühnenpräsenz von GAX gezählt. Sein Anspruch war die Gründung einer neuen, einer aktuelleren RAF. Wobei Amazon ruhig mit seiner kostenlosen Rücksendung mithelfen könne.
Stefan, klick, Seifert, klick, ging dem Thema, klick, Digitalisierung auf den Grund. Als letzter der Vorrunde betrat Arne Poeck die Bühne und überraschte alle mit einem spontanen Resümee des bisherigen Abends, bevor er zu seinem eigenen Text überging. Berührungsängste Sprichwörter für das eigene Thema umzuwandeln? Keine Spur. Welche drei Poetry Slamer in das Finale einzogen bestimmte die zufällig gewählte 5-köpfige Jury, die verteilt im gesamten Theater saß.
So hieß es nach Punkten der Jury bitte noch einmal auf die Bühne für GAX, Bo Wimmer und Arne Poeck. Alle drei zeigten, was Poetry Slam mit Sprache machen kann. Sei es durch Weglassen verschiedener Konsonanten, ersetzen der Wörter oder gar mit einem Storck (dieses Ungetüm einer Süßigkeit, das den gesamten Mund schier lahmlegt) im Mund. Erst nach mehrmaliger gesamter Abstimmung des Publikums via klatschen, rufen bis hin zum vollkommenen Ausrasten, stand der Sieger des Abends fest. GAX setzte sich durch und konnte sich nicht nur den Pokal in Form eines neonpinken Highlighters ans Revers stecken, sondern sich auch über die mitgebrachten Preise des Publikums freuen. Alle Preise kamen aus der Kategorie, was sich noch so alles in der Handtasche, Hosentasche oder zwischen den Theatersesseln sammelt. Handcreme, Taschentücher, Sagrotan-Gel oder auch ein Schokoladenriegel.
Würde ich Den Poetry Slam des Fantastischen Durchschnitts weiterempfehlen?
An deiner Stelle würde ich die Augen offenhalten, wann Lars Ruppel erneut zum Poetry Slam in das Stadttheater Gießen ruft. Sein Gespür für die Auswahl der Gäste in Kombination mit seiner Präsenz als Gastgeber verspricht einfach einen deepen Abend der Unterhaltung. Das war definitiv nicht mein letzter Besuch eines Poetry Slam Abend.
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